17.10.2020, 20:24 Uhr

Die Panzerwaschanlage: was war da los letzten Samstag?

Wer dieses Second-Hand-Biotop an der Alten Kölner Straße in der Wahner Heide kennt, mag sich gefragt haben: Warum sind die ganzen Pflanzen da jetzt raus, und warum ist da alles so aufgewühlt? Ist das jetzt gut, für die Natur?

Vor dem Einsatz: der Rohrkolben bildet stellenweise schon dichte Bestände, kaum Licht und Platz für andere Arten
Vor dem Einsatz: der Rohrkolben bildet stellenweise schon dichte Bestände, kaum Licht und Platz für andere Arten
© Justus Siebert
Antwort: Ja, denn das sieht derzeit deshalb so aus, weil Biotop-Pflegemaßnahmen stattgefunden haben, um dieses sehr spezielle, menschgemachte, für andere (militärische) Zwecke gedachte EtwasInDerLandschaft-Objekt als solches zu erhalten. Konkret handelt es sich um eine in Beton gegossene Wanne, die alles aufzufangen hatte, was man von den aus den Manövern in der Wahner Heide zurück gerollten Panzern abgewaschen hatte, nebst Heideboden auch allerlei chemische und ölige Rückstände, Man-Weiss-Es-Nicht-Mehr-So-Genau.

Natur und Militär damals und heute: von Caesar bis zu den Belgiern

So oder so, nach dem Abzug des Belgischen Militärs aus der Wahner Heide 2004 wurde auch die Panzerwaschanlage ihrer ursprünglichen Bestimmung beraubt und entwickelte sich seitdem zu einem speziellen menschengemachten Klein-Biotop, einem Stillgewässer, inmitten eines speziellen menschengemachten Groß-Biotops. Denn auch die Heide, und damit auch die Wahner Heide, ist menschengemacht, durch Beweidung und Plaggenhieb, allerdings gar nicht so weit entfernt von einer von menschlichen Einflüssen unberührten Urlandschaft wie man denkt, näher dran wahrscheinlich an dieser Urlandschaft als der Deutsche Wald, von dem wir aber auch nicht wirklich wissen, wie der denn ausgesehen haben mag. Caesar hat ihn, und mutmaßlich auch die Wahner Heide, mal kurz marodierend durchstreift und literarisch mit naturkundlich laienhaft-fragwürdigen Randnotizen versehen (Caesar, BG VI-27: „Es gibt ebenso Tiere, die Elche genannt werden... und sie haben Beine ohne Knöchel und Gelenke. [...] Sie nähern sich ihnen [den Bäumen] an und genießen so, ein wenig an sie angelehnt, Ruhe...“).

Die Germanen, die ihm da offenbar eine Bären aufgebunden hatten, und es natürlich besser wussten, weil sie ja seit jeher dort lebten, haben literarisch leider gar nichts hinterlassen, weshalb wir heute leider auch so gut wie gar nichts wissen, über diese urgermanische Landschaft. Und auch das sei erwähnt an dieser Stelle: Auch Germanen sind (pardon, waren) Menschen, die ihre Umwelt beeinflusst haben, nur wie und wie intensiv, dazu hätten sie was malen oder aufschreiben müssen, notfalls in Latein, haben sie aber nicht…

Die Panzerwaschanlage: Lebensraum für Frösche, Molche, Libellen

Kurz vor Ende des Einsatzes: Rohrkolben weitgehend entnommen, Hornkraut (rechts unten) stellenweise gelichtet
Kurz vor Ende des Einsatzes: Rohrkolben weitgehend entnommen, Hornkraut (rechts unten) stellenweise gelichtet
© Justus Siebert
Zurück zur PWA, wie Beton-gegossen und unnatürlich sie auch immer sein mag, viele, teils seltene Tiere und Pflanzen haben sie als Lebensraum entdeckt. So zum Beispiel die Teichfrösche, die sich vor allem zur Balzzeit von April bis Juni hier sehr gut und zahlreich beobachten lassen. Sie hat es in der Wahner Heide immer schon gegeben, in den zahlreichen Tümpeln und Pfützen. Aber gerade in den letzten drei Hitzejahren, als die meisten dieser Tümpel schon vorzeitig ausgetrocknet waren, war die PWA der letzte größere, noch wasserführende „Tümpel“ weit und breit, in welchem die Frösche überdauern und ihre Kaulquappen überleben konnten. Das gleiche gilt für die Teichmolche: Unauffälliger, weil unterhalb der Wasseroberfläche unterwegs, brauchen auch sie Gewässer, die mindestens bis Juli bestehen, damit sich ihre Larven von Kiemen- zu Lungenatmern entwickeln können. Und nicht zu vergessen die Libellen, z.B. die Blaugrüne Mosaikjungfer, oder die Hufeisen-Azurjungfer, die man in den Sommermonaten bei der Paarung und Eiablage an der PWA beobachten kann. Auch ihre Larven brauchen zwei bis vier Jahre, bis sie ihren Wasserlebensraum verlassen und sich in fliegende Libellen verwandelt haben. Sie brauchen also ständig Wasser führende Gewässer, die nicht zwischendurch austrocknen.

Kreuzkröten sind anders drauf…

…sie kommen überall rings um die PWA vor und schätzen gerade die regelmäßig austrocknenden Pfützen als Laichgewässer: Sobald ein Gewitterregen die Pfützen gefüllt hat, kommen sie nachts aus ihren in den Heidesand gegrabenen Tag-Verstecken hervor, paaren sich und legen ihre Laichschnüre ab. Ihre Strategie: in diesen gerade erst entstandenen Gewässern gibt es keine Fressfeinde für ihre Kaulquappen, keine Libellenlarven, Gelbrandkäfer, Fische, Molche,…, und in den flachen, sonnenexponierten Pfützen erwärmt sich das Wasser schnell, die Quappen können sich rasch entwickeln, möglichst schnell genug, bis die Sonne die Pfütze ausgetrocknet hat. Ein eng kalkulierter Plan, der nicht immer aufgeht, dann vertrocknen die Quappen, aber dafür starten sie mehrere Versuche über den Sommer, wenn auch nur einer aufgeht, ist das aus Kreuzkröten-Perspektive o.k. Und immer noch ein besserer Plan als die PWA zu nutzen, wo es vor Fressfeinden nur so wimmelt. Jedem das Seine, in der Heide.

Die Natur hat die Panzerwaschanlage für sich zurück erobert. Alles gut?

Genauer hinschauen lohnt sich: zwischen dem wuchernden Hornkraut könnten sich auch seltene Arten verborgen haben...
Genauer hinschauen lohnt sich: zwischen dem wuchernden Hornkraut könnten sich auch seltene Arten verborgen haben...
© Justus Siebert
Fast, denn würde man die Natur ungestört machen lassen, wäre das Ergebnis nach ein paar Jahren eine von Flutendem Schwaden und Bleitblättrigen Rohrkolben zugewachsene Fläche, und langfristig wahrscheinlich ein Weiden-Gebüsch. Da ist die Erhaltung als Stillgewässer weitaus wertvoller. Als besonntes Stillgewässer, denn im Schatten von Rohrkolben und Weiden würde kaum eine andere Wasserpflanze mehr existieren können. Die Frösche würden, ohne die Gelegenheit für ein Sonnenbad am Ufer, bald abwandern, auch ihre Kaulquappen, wie auch die Larven der Molche, würden sich ohne Sonneneinstrahlung auch in die unteren Wasserschichten nicht entwickeln können.

Ehrenamtlicher Naturschutz-Einsatz an der PWA

Will man diese Vielfalt also erhalten (und das wollen wir), muss man also Hand anlegen und die dominanten Arten zurück drängen, damit weniger konkurrenzstarke Arten, wie der Froschlöffel, auch eine Chance haben. Zu diesem Zweck hat das Bündnis Heideterrasse e.V. in Abstimmung mit der DBU Naturerbe GmbH, als Eigentümerin, die Pflege der PWA übernommen. Ein- oder zweimal im Jahr finden ehrenamtliche Biotop-Pflegemaßnahmen statt, letzten Samstag (10. Oktober) war wieder so ein Einsatz. Diesmal standen das Zurückdrängen des Breitblättrigen Rohrkolbens und des Rauen Hornblattes im Fokus. Beides heimische Arten, die jedoch bereits im Begriff sind, alles andere zu verdrängen, zudem würde der Rohrkolben mit seinen zwei bis drei Meter langen Stängeln die gesamte PWA in den Schatten stellen.

Seit dem 15. September 2020: Eine Info-Tafel mit Basis-Infos zu diesem Klein-Biotop, und Kontakt-Daten für Nachfragen
Seit dem 15. September 2020: Eine Info-Tafel mit Basis-Infos zu diesem Klein-Biotop, und Kontakt-Daten für Nachfragen
© Justus Siebert
Mit sechs EhrenamtlerInnen wurde an diesem sonnigen Samstagvormittag in zwei Stunden das anvisierte Ziel erreicht: Rohrkolben weitestgehend entnommen, der Unterwasser-Teppich aus Hornblatt gut gelichtet. Und die Sträucher am Beckenrand beschnitten, um die Beschattung zu verhindern, und damit man wieder besser vorbei wandern kann. Mal schauen wie sich die Vegetation über den nächsten Sommer entwickelt, wir gehen aber davon aus, dass wir im nächsten Oktober wieder ran müssen, mal schauen, mit welchem Schwerpunkt dann.

So ein Einsatz bedeutet natürlich Stress für die Bewohner der PWA, den diese aber in Kauf nehmen müssen, wenn ihre Welt im Betonbecken erhalten bleiben soll. Um möglichst wenig Schaden anzurichten, indem z.B. Laich oder Larven ungesehen mit den Pflanzen entnommen werden, finden die Einsätze außerhalb der Laichzeit, und vor der Winterruhe, statt. Und etwas trübe und zerstört sieht die PWA nach so einem Einsatz ja schon aus, das ist aber eher ein optischer Schaden, spätestens nach wenigen Wochen ist das Wasser wieder klar.

Und weil nicht jedeR Vorbeispazierende diesen Beitrag gefunden und gelesen hat, und auch nicht jedeR an einer unserer Exkursionen teilnehmen kann, schon gar nicht in Corona-Zeiten, und somit nicht weiß, was da für ein wertvolles, in Beton gegossenes Kleinod am Wegesrand liegt, ist dort im September Schild angebracht worden, mit Grundinformationen und Kontakt-Daten, über die man sich weiter informieren kann. Oder gerne auch Informationen zu eigens gemachten Beobachtungen, gerne mit Fotos oder Film, an uns weiter geben kann.

Danke schonmal, auch im Namen ihrer Bewohner, und bis bald an der Panzerwaschanlage.

Abtauchen in die PWA, Juni 2020

© Ernst Broel