31.10.2022, 01:17 Uhr

Was passiert mit den Kirchsiefen-Teichen bei Altenrath?

Über den Altenrather Dorffunk wurde die Befürchtung gestreut, sie sollen womöglich ganz verschwinden.

Deshalb gab es letzten Samstag 29.10.2022 von unserem Infozentrum Wahner Heide in Altenrath aus eine Begehung mit dem Bundesforst, um über den aktuellen Stand dessen, was an Planung im Raum steht, zu informieren.

Der obere Kirchsiefen-Teich
Der obere Kirchsiefen-Teich
© Justus Siebert
Worum geht es nochmal? Um die acht Kirchsiefen-Teiche, welche vom Altenrather Bach durchflossen werden, der oberhalb von Altenrath entspringt und im Sülztal mündet. Letztes Jahr im Flut-Sommer ist der Damm eines Teiches so stark beschädigt worden, dass er kurzfristig notdürftig gesichert werden musste. Es besteht aber weiterhin die Befürchtung, dass beim nächsten Starkregenereignis der Damm brechen und die Hofsiedlung der Hörwiese im Sülztal, oder, worst-case-Szenario, die A3 überflutet werden könnte. Einmal auf die Situation aufmerksam geworden, ist von behördlicher Seite gleich die gesamte Teichketten-Anlage ins Blickfeld geraten. Eigentümerin des Geländes ist die DBU (Deutsche Bundesstiftung Umwelt), in der Wahner Heide vertreten durch den Bundesforst, welche aufgefordert worden ist, Lösungsvorschläge zu unterbreiten bzw. Angebote dazu einzuholen. Ist bereits geschehen, mehrere Angebote liegen auch schon vor mit ersten Ideen, entschieden ist aber noch nichts. Deshalb gab es auch noch keine offizielle und öffentliche Verlautbarung dazu.

Der Stein des Anstosses: Beschädigter Damm bei einem der unteren Teiche
Der Stein des Anstosses: Beschädigter Damm bei einem der unteren Teiche
© Justus Siebert
Dennoch sind von diesen Ideen einige durchgesickert und haben bei einigen Altenrathern die Befürchtung ausgelöst, dass ihre Teiche teilweise oder ganz zurückgebaut würden und damit ein geschätztes Naturidyll vor der Haustür in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verschwinden würde. Oder nicht mehr so aussehen würde wie seit jeher gekannt. Und ob das im Sinne der Natur und des Naturschutzes sei stand auch als Frage im Raum. Diese Frage ging dann an uns (Bündnis Heideterrasse e.V.) als Vertreter des Naturschutzes in der Wahner Heide, und schließlich betreiben wir ja auch unser Infozentrum in Altenrath, nur wenige Hundert Meter vom ersten Kirchsiefen-Teich entfernt. Dort stand ohnehin als Programmpunkt unser alljährlicher Saisonausklang auf dem Plan, diesmal am Samstag 29.10.2022, verbunden mit etwas Gartenarbeit vor dem Winter, und Grill für die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen. Ein geeigneter Rahmen also, um sich im Anschluss die Situation vor Ort einmal anzuschauen. Doch nicht nur das, netterweise hat Herr Oehlmann vom Bundesforst unsere Einladung zu einem Grillwürstchen angenommen, um aus erster Hand über den Planungsstand der Dinge zu berichten und die aufgekommenen Befürchtungen zu zerstreuen – oder auch nicht.

Herr Oehlmann vom Bundesforst am 29.10.2022 erläutert den aktuellen Planungsstand vor Ort
Herr Oehlmann vom Bundesforst am 29.10.2022 erläutert den aktuellen Planungsstand vor Ort
© Holger Sticht
Tatsächlich fanden sich gegen 15 Uhr an die 30 interessiert-besorgte AltenratherInnen ein, und nach einer kurzen Begrüßung ging es los zum ersten Teich. Hier stellte Herr Oehlmann zunächst nochmal den Istzustand vor, welcher den meisten Anwesenden schon bekannt war, und auch etwas zur Entstehungsgeschichte der Teiche. Den Alt-Altenrathern wohlbekannt, für die Immis, und aus Naturschutzsicht, aber nicht uninteressant. So war zu erfahren, dass die Teiche vor rund 60 Jahren als Fischteiche angelegt worden sind, damals noch ohne Genehmigungsverfahren, sowas brauchte man damals noch nicht (Randbemerkung: auch nicht für einen Flughafen Köln/Bonn), durch das Aufstauen des Altenrather Baches in mehreren Stufen mittels des Baues von Dämmen. Als Baumaterial wurde, zumindest für den oberen Teich, auch Ton aus der Tongrube verwendet, bei den anderen weiß man es nicht mehr so genau, bei den unteren wohl auch Füllmaterial während des Ausbaus der A3. Heißt jedenfalls: in einen natürlichen Bach (der eigentlich ein Siefen ist, nur zeitweise aus seinem Quelltopf sieft) sind künstlich Teiche angelegt und mit Fischen besetzt worden, die natürlich hier nicht vorkommen würden: Kois, Karpfen, Schleien, und man weiß auch das nicht mehr. Ein unnatürlicher Zustand also.

Was ist jetzt davon zu halten? Unnatürlich oder nicht, der Eisvogel brütet hier, wenn man da jetzt was ändert, könnte er verschwinden? Und irgendwie gehören die Teiche nunmal zu Altenrath, sind damit doch ein Kulturgut? Auch wenn die Fischwirtschaft schon vor vielen Jahren aufgegeben und die Teiche sich selbst überlassen wurden? An dieser Stelle konnte Herr Oehlmann beruhigen mit der Ansage, die er auch bei den Planungen gemacht hatte: Ohne die Altenrather (er wohnt selbst in Altenrath) geht gar nichts! Sprich, eine Nacht-und-Nebel-Aktion wird es nicht geben, sobald die Planungen in eine konkretere Phase gekommen sind, wird es auch öffentliche  Info-Veranstaltungen geben. Diese Phase ist jedoch noch nicht erreicht, vor allem die Finanzierung ist noch alles andere als gesichert, und davon hängt auch wesentlich ab, was genau gemacht wird. Die heutige Begehung war somit die erste, inoffizielle Veranstaltung dieser Art. Die nächste vielleicht wieder vom Infozentrum aus, mal schauen.

Nun ging es aber um die Frage, was denn an Optionen für die Umsetzung im Raum steht, darauf waren alle gespannt. Was Herr Oehlmann sagen konnte: Zumindest der obere Teich wird erhalten bleiben, und auch die anderen werden sehr wahrscheinlich nicht komplett verschwinden. Nur anders aussehen, und kleiner, und flacher. Wahrscheinlich. Was auch vorab gemacht werden muss ist eine Flora-Fauna-Bestandsaufnahme (wir sind ja nicht mehr in den 50ern!), welche Arten (außer dem Eisvogel) und Biotope sind schützenswert und müssen berücksichtigt werden. Aber darüber hinaus: welches Potential bietet die Kulisse, um ein naturnäheres, oder artenreicheres Szenario zu erreichen? Was nämlich seit dem Anlegen der Teiche suboptimal ist: es gibt keine Durchlässigkeit mehr, reine Wasserbewohner wie die Bachforelle können nicht mehr von unten nach oben wandern. Weil das Wasser durch sogenannte Mönche (Betonschachte) von oben nach unten kontrolliert und geleitet wird. Vielmehr geleitet wurde, inzwischen fließen sie eher durch nachträglich eingebrachte Rohre. Bei den Planungen ist jedenfalls vorgesehen, das zu ändern, die genaue technische Umsetzung ist noch offen.

Ein weiterer Aspekt: Die Beschaffenheit der Teiche selbst, vor allem der Uferbereiche. Denn die sind in den meisten Fällen steilkantig angelegt worden, wie bei Fischteichen üblich, zudem ist der umgebende Wald inzwischen an die Uferbereiche vorgedrungen und beschattet diese fast komplett, Effekt: es hat sich kaum eine natürliche Ufervegetation bilden können. Bei einigen Teichen, bei denen sich als Folge der Aufgabe der Bewirtschaftung Verlandungszonen gebildet haben, haben sich Bruchwälder mit kleinen Beständen von Sumpflinien und Schilf bilden können. Laut Herr Oehlmann soll es davon mehr geben. Weniger Teich und mehr Ufer und Sumpf.

Verlandungsbereich mit Erlenbruchwald und Sumpf-Schwertlilie bei einem der unteren Teiche. Gerne mehr davon.
Verlandungsbereich mit Erlenbruchwald und Sumpf-Schwertlilie bei einem der unteren Teiche. Gerne mehr davon.
© Justus Siebert
Was ist aus Sicht des Naturschutzes von alledem zu halten? Dazu konnte Holger Sticht (Bündnis Heideterrasse und BUND) was sagen, hat er auch gemacht: Grundsätzlich seien die bisherigen Planungen zu begrüßen, vor allem die Wiederherstellung der Durchlässigkeit, auch die Umgestaltung der Teiche mit mehr Flachwasserzonen und freigestellten Uferbereichen. Seine Analyse zum Jetzt-Zustand: Langweilig! Im Sinne von natürlicher Artenvielfalt. Aus den beschriebenen Gründen. Insofern seien die angedachten Maßnahmen eine gute Chance, da was zu optimieren. Um einige Arten machten sich einige jetzt schon Gedanken: Was wird mit den Mandarin-Enten? Und werden die Kanada-Gänse dann auch noch hier brüten, wenn umgebaut wird? Und was wird mit der Schildkröte, die da bislang einsam sich an Teich 3 sonnt? Ist das eigentlich eine heimische (nein)? Holger Sticht dazu: als nicht-einheimische und ungefährdete Arten seien Mandarin-Ente und Kanada-Gans nicht Gegenstand von Schutzzielen und Maßnahmenkonzepten - weil sie die nicht brauchen. Relevant ist eher der Eisvogel, Amphibien könnten massiv profitieren, Grasfrösche und Erdkröten laichen jetzt schon, aber da geht noch mehr. Und wer weiß, vielleicht wird nach den Maßnahmen sich der Schwarzstorch mal hier blicken lassen. Oder wird man gar dem Glockenfrosch (wieder) bei seinen abendlichen Rufkonzerten lauschen können? Das Naturerlebnis kann nur ein gewinnen. Man muss sich aber daran gewöhnen müssen, dass Altgewohntes anders aussehen wird. Man gewöhnt sich aber eventuell besser daran, wenn man weiß, dass dieses „anders“ besser und nicht schlechter ist. Einige Zweifel gab es schon noch, ob wirklich alles besser wird, aber auch Zuversicht, dass das mit dem „besser“ klappt.

Fazit der Veranstaltung: es wird sich was ändern, aber frühestens im nächsten Jahr, eher später. Was als Maßnahme gegen Überflutung begann, wird sich sehr wahrscheinlich auch in Richtung mehr natürliche Artenvielfalt auswirken. Das passt in diesem Falle gut zusammen. Wobei: das passt eigentlich fast immer und überall gut zusammen. Aber wir bleiben erstmal in Altenrath und behalten alles Weitere im Auge. Dazu gehört auch der Rest der Wahner Heide. Um deren weitere Entwicklung als Naturraum geht es in einem Fachbeirat Ende November, kurzfristig sind die Kirchsiefen-Teiche auch ins Programm aufgenommen worden, mal schauen ob es da schon was Neues gibt.